Mit Fingern und Ohren lesen

05.09.2011 08:00 (0 Kommentare)

Wie Menschen mit eingeschränkter Sehkraft Literatur genießen

Braille-Schrift
„Sensibles“ Lesen mit Braille-Schrift.

Ein aktueller Report der Weltgesundheitsorganisation WHO (World Health Organization) informiert darüber, dass in Deutschland mehr als 170.000 blinde und etwa 1,1 Millionen stark sehbehinderte Menschen registriert sind. Nahezu die Hälfte der Erblindungen tritt erst ab dem 80. Lebensjahr auf und wird als typische Alterserscheinung unter dem Begriff Makuladegeneration zusammgefasst. Die Freude am Lesen lassen sich Sehbehinderte allerdings nicht nehmen.

Braille-Schrift versus Screenreader

Um sehbehinderten Menschen das Lesen zu ermöglichen, entstanden im Laufe der Zeit Blindenschriften, die sich in Relief- und Punktschriften unterteilen lassen. Die 1825 maßgeblich vom Franzosen Louis Braille entwickelte Braille-Schrift basiert auf einem Punkteraster. Ein Text in Braille-Schrift kann auf einer Schreibtafel, einer Punktschriftmaschine oder digital über eine Tastatur und ein Braille-Display verfasst werden. Sehbehinderte Menschen lesen Texte in Braille-Schrift sowohl in Papierform als auch digital mit den sensiblen Flächen ihrer Fingerkuppen. Digitale Texte werden dabei in der so genannten Braille-Zeile gelesen. In einer Braille-Zeile bzw. einem Braille-Display werden die Punkte über eine elektrische Spannung erzeugt, die Piezo-Kristalle verformt, die wiederum die erhabenen Stellen der Oberfläche der Braille-Zeile darstellen. Beim gegenwärtigen Stand der Technik umfasst eine Braille-Zeile 20, 40 oder 80 Zeichen. Eine Alternative für die Arbeit am Computer stellt die Sprachausgabe dar, die von einem Screenreader erzeugt wird. Screenreader, auch Bildschirmleseprogramme genannt, produzieren einen synthetischen akustischen Text über eine Soundkarte.

Audio-Hörbuch mit flexibler Navigation

Auch wenn sich Blindenschrift, Braille-Zeile und Screenreader als außerordentlich nützliche Werkzeuge für die Alltagskorrespondenz und das Lesen von Gebrauchstexten erweisen, so stoßen sie hinsichtlich des Lesegenusses doch an ihre Grenzen. Nicht jeder gute Text liegt in Braille-Schrift vor und eine synthetische digitale Stimme reicht noch längst nicht die Ausstrahlung einer natürlichen menschlichen Stimme heran. Zahlreiche sehbehinderte Menschen greifen deshalb auf Hörtexte zurück, die sich einfach konsumieren lassen und mit menschlichen Stimmen arbeiten. Einige Städte in Deutschland unterhalten Blindenbibliotheken, in denen Bücher und Zeitschriften in großer Anzahl in einer Braille- und einer Audio-Version vorliegen. Als besonders praktisch hat sich dabei das DAISY-Hörbuch erwiesen, das ein Leser hinsichtlich Textnavigation und Textwiedergabe flexibel handhaben kann. Beim DAISY-Hörbuch bleibt der natürliche Klang der Stimme wie bei gewöhnlichen Hörbüchern erhalten. Eine wichtige Voraussetzung für eine gute Qualität des Hörtextes ist neben einer wohlklingenden Stimme des Vorlesers dessen Begabung, Texte autoren- und zielgruppengerecht vorzutragen. Auch für einen gut ausgebildeten Sprecher ist jede neue Hörtextproduktion eine außergewöhnlich anspruchsvolle Aufgabe. (cm)

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