Vom Zwerchfell zum Trommelfell: Audiotexte sind gefragt

25.02.2013 08:00 (0 Kommentare)

Wie entsteht eigentlich ein Hörtext?

Computerunterstützte Übersetzung
Achtung, Aufnahme!

Sprechen als Dienstleistung? Das kann ich doch selbst. Denken zunächst viele. Genauso viele wissen gleichwohl aus eigener Erfahrung, dass niemand gern dem Redner bei einer öffentlichen Veranstaltung, dem Sprecher eines E-Learning-Tutorials oder gar dem Vorleser eines vor dem Schlafengehen abgespielten Hörbuchs zuhört, wenn einem die Stimme nicht passt. Eine Stimme kann Sympathie oder Ablehnung erzeugen. Sie kann den Zuhörer fesseln und in eine Geschichte hineinziehen oder ihn kalt lassen und unbeteiligt am Inhalt des Gesprochenen im Äther verrauschen. Die Wirkung der Stimme hängt auch von der Zufallsanatomie der Sprechwerkzeuge ab. Jedoch nur zu einem untergeordneten Teil. Entscheidend ist vielmehr die Stimmung des Sprechers, seine Präsenz, sein mehr oder auch weniger vorhandener Wille, seinen Zuhörern wirklich etwas mitteilen zu wollen. Welcher Vielflieger weiß schon genau, wo sich die Rettungsweste im Flugzeug befindet? Immer wieder hat er die Flugbegleiterin bei deren Sicherheitsanweisungen beobachtet und sich gefragt, wie oft sie diese Zeremonie schon vorzuspielen hatte, oder ob sie im Schlaf von herunterfallenden Sauerstoffmasken träumt. Der Kern der Ansage erreicht ihn indes nicht. Auch ein professioneller Sprecher muss nicht unbedingt vom Tenor des vorzutragenden Textes überzeugt sein. Doch solange die Aufnahme läuft, hat er die Leidenschaft, die der Textinhalt verlangt, überzeugend vorzuspielen. Und das lässt sich lernen.

Alles nur heiße Luft?

Stimme ist zuallerst tatsächlich nur warme Luft, die sich in den Hohlräumen des Körpers oberhalb des Zwerchfells befindet. Beim Sprechen wird die Luft von den Sprechorganen moduliert. Sie wird angestoßen, in Bewegung versetzt, beschleunigt, verlangsamt, vorsichtig angehalten und schlagartig wieder abgestoßen und schließlich in einem Zug oder mit bewusster Verzögerung durch die Mund- oder die Nasenöffnungen ins Freie entlassen. Dort treffen die Schallwellen auf das Trommelfell eines Ohres oder auf die noch empfindlichere Membran eines Studiomikrofons. Jeder professionelle Sprecher setzt nicht nur sein Zwerchfell, sondern seinen gesamten Körper gezielt ein, um den Schallwellen die beabsichtigte Frequenz, Intensität und subjektive Temperatur zu verleihen und damit die vom vorzulesenden Text verlangte Wirkung zu erzielen. Ein gut ausgebildeter Studiosprecher beobachtet genau, welchen Weg der vom Zwerchfellmuskel angestoßene Schall durch die Lungenflügel und die Luftröhre, durch den Kehlkopf, die Stimmlippen und am Gaumenlappen vorbei durch Nase und Mund bis hin zur Mikrofonmembran zurücklegt. Ein Sprecher weiß, wie er den Zuhörer eines E-Learning-Tutorials wachhalten kann, die Hörer eines Kriminalhörspiels vor dem Radio den Atem anhalten lässt oder den Anhängern gesprochener Belletristik beim Zuhören zu den zauberhaftesten Fantasien verhilft. 

Die Technik verleiht den letzten Schliff

Die menschliche Stimme ist vergänglich. Zur exakten Reproduktion muss sie also zuvor aufgezeichnet worden sein. Das geschieht im professionellen Aufnahmestudio eines Senders, im Studio eines freischaffenden Studiotechnikers oder auch in der Sprecherkabine im Homeoffice eines Sprechers. Wichtig ist, dass die Kabinenwände keine Außengeräusche ans Mikrofon lassen, jedoch auch kein eigenes Hintergrundrauschen produzieren. Die Abmessungen der Kabine, die Auswahl der Dämmelemente und die Positionierung des Mikrofons wollen gut durchdacht sein. Die Wahl des richtigen Mikrofons ist eine erste große Hürde auf dem Weg zu einer exzellenten Aufnahme. Denn nur wenige Mikrofone sind für Sprachaufnahmen optimiert. Zudem passen einige Modelle erfahrungsgemäß besser zu bestimmten Stimmen als andere. Im Idealfall wählt jeder Sprecher das am besten mit seiner Stimmlage harmonierende Mikrofon. Neben den Marktführern Neumann und Brauner produzieren seit einigen Jahren auch asiatische Anbieter wie T.Bone gute und mitunter preisgünstigere Modelle. Bei der Einschätzung der Aufnahmequalität ist zudem die technische Beschaffenheit des Mikrofon-Vorverstärkers und des digitalen Aufnahmegeräts nicht zu vernachlässigen. Niemand sollte sich übrigens wundern, dass die Stimmen bekannter Schauspieler in Werbspots eine andere Wirkung haben als bei ihrer Rolle im Serienkrimi. Für die Stimmeffekte sorgen Preamp, Kompressor und Equalizer als Hardwarekomponenten oder die digitale Nachbearbeitung der Aufnahmen mit Audio-Software wie WaveLab, Samplitude oder Cubase. Sprechen – das kann ich doch selbst? (cm)

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